23. Januar 2015
Aus der Kategorie: kleine Absurditäten des Alltags.
Gestern wollte ich mit einem Freund in ein Café gehen. Er hatte Lust auf eine Shisha und wir wollten die Frühlingssonne genießen und Karten spielen. Kaum hatte wir uns auf dem kleinen Tisch ausgebreitet, kam der Besitzer ganz panisch angerannt und bat uns inständig, die Karten wegzuräumen. Das sei verboten in der Öffentlichkeit. Auf unsere erstaunte Frage nach dem Warum bekamen wir natürlich keine Antwort. Erst ein Gast hat uns dann aufgeklärt, dass Cafés eine Konzession brauchen, damit Gäste dort Karten spielen dürfen. Und unser Café hat eben keine. Seine Erklärung beendete der Gast mit dem üblichen "Welcome to Egypt" und lachte.
Manchmal frage ich mich, ob dieses Land nicht andere Probleme hat, als zu überwachen, ob Menschen in Cafés Karten spielen?! Die ägyptischen Behörden stehen kurz vor dem Kollaps, die Wirtschaft verdient den Namen schon nicht mehr und die Menschen kämpfen um's Überleben. Aber Hauptsache es gibt ein Gesetz, das öffentliches Kartenspielen regelt...
23. Januar 2015
In den vergangenen vier Wochen herrschte Winter in Ägypten. Das ist natürlich kein Winter im europäischen Sinne mit Schnee und Eis, Weihnachtsbaum und kuscheligen Abenden auf der Couch. Denn vor allem Letzteres scheitert an der Tatsache, dass es in den Wohnungen oft kälter ist als draußen. Wie in vielen warmen Ländern sind Häuser nicht isoliert, es gibt keine Heizungen und die Fenster sind undicht. Es ist also fast klüger, sich den ganzen Tag auf dem Balkon aufzuhalten, denn da scheint wenigstens die Sonne.
Strom und Gas gehen mal wieder aus
Die Heizlüfter-Verkäufer freut's, denn die haben in den vergangenen Tagen vermutlich ihren Jahresumsatz reingeholt. Wobei: So richtig sinnvoll sind Heizlüfter auch nicht, denn der funktioniert mit Strom. Und Strom ist mal wieder Mangelware im Land. Wie auch Gas in Flaschen. Es trifft wie immer die Armen, die nicht ans zentrale Gasleitungsnetz angeschlossen sind. Begeistert ist davon niemand, aber die Menschen halten still. Noch.
Am Sonntag jährt sich die Revolution vom 25. Januar zum vierten Mal. Die Geschichten aus den 18 Tagen, an denen die Ägypter auf dem Tahrir-Platz für den Rücktritt von Hosni Mubarak demonstriert haben, wirken wie Märchen aus längst vergangenen Zeiten. Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit waren das Motto. Und für kurze Zeit sah es so aus, als könnte das Märchen Wirklichkeit werden. Was ist heute davon geblieben?
Keine Besserung in Sicht
Ich rede viel mit Freunden über die Zeit während der Revolution und was sie jetzt denken. Es sind meist traurige Gespräche. Die meisten meiner Freunde sind eigentlich nur damit beschäftigt, nach Wegen zu suchen, wie sie das Land verlassen können. Demonstrieren? Nein, danke. Nicht noch mal. Es bringt sowieso nichts. Dieses Land wird sich nie ändern. Das ist es, was ich meistens zu hören bekomme. Es ist so surreal und traurig, wie sich Ägypten entwickelt hat in den vergangenen Monaten. Und es ist keine Besserung in Sicht.
Im März wird ein neues Parlament gewählt. Es ist der letzte Schritt der "demokratischen Transformation", die der Westen unermüdlich von Ägypten fordert. Wenn ich das meinen Freunden erzählen, brechen sie immer in Gelächter aus. Verzweifeltes Gelächter, denn schon jetzt ist vollkommen klar, dass die Wahl ein Witz wird. Parteien haben überhaupt keine Chance, eine relevante Zahl von Abgeordneten ins Parlament zu bringen. Neuem Wahlgesetz sei Dank.
Demonstrationen werden erstickt
Die einzige Antwort des Staates auf die Unzufriedenheit der Menschen sind derweil Gewalt und Einschüchterung. Die Polizeipräsenz in den letzten Tagen in Kairo ist beeindruckend. Viele der potentiellen Demonstranten, die am Sonntag eventuell auf die Straße gehen könnten, wurden vorsorglich schon einmal verhaftet. Tränengas hat gestern Nachmittag die Innenstadt vernebelt. Einige Jugendliche hatten Polizisten angegriffen und wurden binnen Minuten auseinander getrieben und festgenommen.
Auch wenn die Sonne mittlerweile wieder scheint und angenehme 25 Grad herrschen. Von Frühling ist in Ägypten keine Spur. Dieses Jahr herrscht einfach nur Winter.
Hier geht's zu meinem Hintergrund im Deutschlandfunk zur Situation in Ägypten.